Party trotz Attest?

Immer mehr ähnelt sich die Rechtsprechung und damit die Rechtslage in den beiden Nachbarstaaten Deutschland und Österreich. Was bereits seit 1979 gängige Rechtsprechung im deutschen Arbeitsrecht zu genesungswidrigem Verhalten eines erkrankten Arbeitnehmers ist, gilt nunmehr sinngemäß auch für Arbeitnehmer in Österreich, bestätigt der Oberste Gerichtshof in einer aktuellen Entscheidung vom 27.09.2023 (OGH 27.09.2023 - 9 ObA 67/23b).

Der Fall:

Ein Arbeitgeber erfuhr aufgrund von Fotos, dass sein krankgeschriebener Mitarbeiter an einer privaten Feier teilgenommen hatte und kündigte diesem deswegen außerordentlich fristlos. Das war nach Auffassung des österreichischen Obersten Gerichtshofs nicht rechtens.

Im konkreten Fall fußte die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters auf einer Depression. Er sagte seine Teilnahme an einem Gesprächstermin in der Arbeit ab, nahm aber an einer privaten Feier teil. Sein Arbeitnehmer erfuhr davon und kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos.

Solche Fälle kommen in der Praxis oft vor, sind aber keinesfalls so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Denn nicht bei jeder Krankheit müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Bett hüten, erklärte der Oberste Gerichtshof in einem aktuellen Urteil.

Während des Rechtsstreits sei kein "Krankheitsbild ermittelt worden, bei welchem der Besuch einer privaten Veranstaltung den Heilungsprozess verzögern würde", so die Arbeitsrichter. Dass der Chef des Mitarbeiters aufgrund der Fotos von der Feier einen anderen Eindruck hatte, sei irrelevant. Ein Arbeitnehmer hat sich während seiner Erkrankung so zu verhalten, dass seine "Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird". Zusätzlich hat er ärztlichen Anordnungen Folge zu leisten.

In dem von dem OGH entschiedenen Fall hatte sich der an Depression erkrankte Arbeitnehmer nicht genesungswidrig verhalten. Seine Ärztin hatte ihm sogar empfohlen, Spaziergänge zu unternehmen und soziale Kontakte zu knüpfen.

Damit liegt der OGH auf einer Linie mit dem deutschen Bundesarbeitsgericht, welches bereits im Jahr 1979 (BAG, Urteil vom 13.11.1979 - 6 AZR 934/77) entschieden hatte, dass es für die Beurteilung der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines erkrankten Arbeitnehmers einzig darauf ankomme, ob das Verhalten des Arbeitnehmers den Heilungsprozess verzögere. Damit gelten für das Fehlen auf der Arbeit aus physischen Gründen (wie etwa bei einem Bandscheibenvorfall) andere Voraussetzungen als für das Fehlen aus psychischen Gründen. Im ersteren sollte der Arbeitnehmer in seiner Freizeit nicht beim Umzug helfen, während im zweiteren die Mithilfe bei einem Umzug für Familie und Bekannte deutlich zum Heilungsprozess beitragen kann. Daher darf in der Praxis nicht einfach pauschaliert, sondern muss jeder Einzelfall gesondert betrachtet und entschieden werden.  

 

Fazit:

Die Entscheidungen des BAG und der untergeordneten Arbeits- und Landesarbeitsgerichte in Deutschland gelten sinngemäß nunmehr auch für erkrankte Arbeitnehmer in Österreich, die sich aufgrund des konkretisierenden Urteils des OGH nicht mehr zu Hause aufhalten müssen, solange der Arzt keine Bettlägerigkeit festgestellt hat. In Deutschland ergehen bereits seit Jahrzehnten solche Entscheidungen, wie zum Beispiel vom ArbG Stuttgart vom 22.03.2007 (9 Ca 475/06), wonach die Kündigung eines Arbeitnehmers unwirksam war, welcher sich das Schulterblatt gebrochen hatte und bei einem Marathonlauf angetreten war, nachdem laut Mitteilung des ihn behandelnden Arztes aus ärztlicher Sicht nichts gegen die Teilnahme an der Veranstaltung spreche.

 

Autoren: Rechtsanwältin Claudia Wencker und Rechtsreferendar Alihan Can

Ansprechpartner

Claudia Wencker

Rechtsanwältin, LL.M. (University of Sydney)
Fachanwältin für Arbeitsrecht