Der Rückgriffsanspruch bei gesetzlicher Sachmangelhaftung

Vertragsrecht: Der Rückgriffsanspruch bei gesetzlicher Sachmangelhaftung

Die Möglichkeit des gewährleistungsrechtlichen Rückgriffs gewinnt in Unternehmen aufgrund steigender Mängelrügen auf Seiten der Käufer zunehmend an Bedeutung. Für Verkäufer besteht so die Möglichkeit, sich nach einer Inanspruchnahme eines Käufers über den Regress bei seinem Lieferanten (Hersteller oder Zwischenhändler) schadlos zu halten. Dabei haben sowohl der Verkäufer als auch die Lieferanten einige Möglichkeiten, um die Folgen eines Regresses vorab zu regulieren. Gleich ob Händler oder Hersteller, mit der richtigen Vorgehensweise ist man auf der sicheren Seite und kann bösen Überraschungen vorbeugen.

Sinn und Zweck, Reichweite des Rückgriffrechts

Regressansprüche sind seit der Gesetzesnovelle zum 01.01.2018 in den §§ 445a, 445b BGB und dem zu dieser Zeit neu gefassten § 478 BGB geregelt. Unternehmen, die Verkäufer einer neu hergestellten Sache sind, können darüber ihre Haftung aus der gesetzlichen Sachmangelhaftung weitestgehend kompensieren. Dies ist im Hinblick auf den wirtschaftlichen Aspekt notwendig, gerade weil sich die Haftung für Sachmängel gegenüber dem Verbraucher wegen des § 476 BGB überwiegend nicht beschränken lässt. Mit der Einführung der §§ 445a, 445b BGB wurden die Regressrechte des Verkäufers im Vergleich zur alten Rechtslage ausgedehnt. Durch diese Erweiterung des Unternehmerregresses, die auf ein Urteil des EuGH vom 16.06.2011 zurück geht, kann der Verkäufer durch die Lieferkette nun nicht nur eine mangelfreie Kaufsache, sondern auch die Kosten für deren Montage (Ein- und Ausbau) verlangen.  Diese wichtige Neuerung gilt nicht nur für die Vertragskonstellationen zwischen Unternehmer und Verbraucher (B2C-Geschäft), sondern auch bei der Vertragsbeziehung zwischen Unternehmern (B2B-Geschäft). Besonders relevant wird dies bei der Abwicklung eines Werk- oder Werklieferungsvertrags: Hier tragen insbesondere Hersteller von Baumaterialien wie zum Beispiel Fliesen, Fenstern, Heizungs- und Sanitär- und Elektrobedarf die Servicekosten für die zweite Andienung eines mangelhaften Produkts, was die Haftungsgefahr des Letztverkäufers bzw. Werkunternehmers deutlich verringert.

Anwendungsbereich und Voraussetzungen

Anwendung finden die neuen Regelungen nur auf Verträge, die nach dem 01.01.2018 zustande kamen (vgl. Art. 229 § 39 EGBGB). Für Verträge, die vor dem 01.01.2018 geschlossen wurden, ist auf den alten Unternehmerregress nach den §§ 478, 479 BGB a. F. zurückzugreifen. Nach dem Wortlaut des § 445a Abs. 1 BGB, wird das Vorliegen eines Kaufvertrages bezüglich einer neu hergestellten "beweglichen" Sache zwischen dem Verkäufer und dem Endabnehmer (Käufer) vorausgesetzt. Auf den Werklieferungsvertrag (§ 650 S. 1 BGB) kommen die Vorschriften im gleichen Umfang zur Anwendung. Nicht erfasst werden aber reine Werkverträge. Der Regress des Werkunternehmers gegenüber seinem Materiallieferanten ist vielmehr von § 439 Abs. 3 BGB und § 635 Abs. 2 BGB erfasst. Verkauft der Unternehmer gebrauchte Sachen, findet § 445a BGB keine Anwendung, sehr wohl aber dann, wenn eine neu hergestellte Sache länger im Lager verweilt und erst nach einem längeren Zeitraum verkauft werden kann. Präziser ist daher, den Begriff der "ungebrauchten Sache" zu verwenden. Weitere Voraussetzung ist, dass einem Käufer Rechte aus der gesetzlichen Gewährleistung nach den §§ 437 ff., 439, 475 BGB zustehen und dem Verkäufer dadurch Aufwendungen entstanden sind. Es muss eine (einredefreie) Rechtspflicht des Verkäufers zur Nacherfüllung gegenüber dem Käufer aus dem Kaufvertrag bestehen. Nacherfüllungsgewährungen aus bloßer Kulanz ermöglichen keinen Regress.

Rechtsfolgen

Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann der Verkäufer von seinem Lieferanten Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er nach den §§ 439 Abs. 2, 3, 475 Abs. 4, 6 BGB gegenüber dem Käufer zu tragen hatte. Damit sind sowohl Mängelbeseitigungskosten als auch Ersatzlieferungskosten erfasst. Wie bereits eingangs erwähnt, erstreckt sich der Anspruch weiter auf den nach § 439 Abs. 3 oder § 475 Abs. 4 BGB geschuldeten Aufwendungsersatz für die Kosten des Ausbaus einer mangelhaften Sache und des Wiedereinbaus einer mangelfreien Sache. Erfasst ist außerdem der aus dem Verbrauchsgüterkauf geschuldete Vorschuss (§ 475 Abs. 6 BGB).

Vorbeugende Gestaltungsmöglichkeiten in Verträgen

Bei der Vertragsgestaltung sollten Verkäufer und Hersteller die Ausgestaltung des Rückgriffs ausreichend bedenken. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten zur besseren Überschaubarkeit und Risikominimierung. Für die vertragliche Abdingbarkeit des Regresses kommt es grundsätzlich darauf an, ob der letzte Vertrag in der Lieferkette mit einem Verbraucher oder einem Unternehmer geschlossen wurde. Bei einem B2C-Geschäft des Verkäufers kann sich der Lieferant wegen § 478 BGB nicht auf eine Klausel berufen, die zum Nachteil des Verkäufers abweicht, mit der Folge, dass in dieser Konstellation kaum abbedungen werden kann. Möglich sind aber Servicepauschalen zur Abgeltung entsprechender Rückgriffsansprüche. Die Pauschalen müssen aber der Höhe nach angemessen sein, sonst droht deren Unwirksamkeit. War in der Lieferkette der letzte Käufer ein Unternehmer (§ 14 BGB), so kann § 445a grundsätzlich abbedungen werden. Der Ausschluss des Rückgriffs darf jedoch aufgrund des ebenfalls neu eingeführten § 309 Nr. 8 b Buchst. cc BGB nicht formularmäßig erfolgen.

Fazit

Unternehmer haben seit der Neuregulierung weitrechende Rückgriffsansprüche gegenüber ihren Lieferanten. Für die Verkäufer sind diese Regelungen günstig, den Herstellern drohen dadurch erhebliche Mehrkosten. Beide Seiten sollten daher aus Gründen des präventiven Rechtsschutzes von den Möglichkeiten der vertraglichen Regulierung Gebrauch machen.

 

Nico Hilbert

Rechtsanwalt
Betriebswirt (VWA)

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