Die europäische
Entgelttransparenz-
richtlinie – das Ende
der Entgeltdiskriminierung?
Handlungsbedarf für Arbeitgeber
Am 6. Juni 2023 trat die Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970) in Kraft, mit welcher die EU den geschlechterneutralen Equal-Pay-Grundsatz verwirklichen will, also den Anspruch, dass Männer und Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleich entlohnt werden. Bis spätestens 7. Juni 2026 muss die Richtlinie vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht umgesetzt werden. Noch lange hin, mag sich mancher denken. Eine Umsetzung ist jedoch auch schon früher denkbar und gerade mittelständische und größere Unternehmen sollten sich bereits jetzt mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen und mit den Vorbereitungen beginnen.
Das ändert sich
Seit Juli 2017 gibt es bereits das Entgelttransparenzgesetz, welches die Entgeltgerechtigkeit zwischen Männern und Frauen verfolgt. Es genießt jedoch eher ein Schattendasein und soll durch die Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) deutlich verschärft werden.
Künftig sollen bereits Stellenbewerber einen Anspruch gegen ihren potentiellen Arbeitgeber auf Information über das Einstiegsgehalt bzw. dessen Spanne und entgeltrelevante Details wie z.B. über die einschlägigen Bestimmungen eines für die Stelle anwendbaren Tarifvertrags haben.
Unternehmen werden künftig verpflichtet, objektive, geschlechtsneutrale Vergütungsstrukturen und Stellenbewertungssysteme zu implementieren, welche mit den Arbeitnehmervertretungen – soweit vorhanden – vereinbart werden müssen, anhand derer beurteilt werden kann, ob sich die Beschäftigten im Hinblick auf den Wert der Arbeit in einer vergleichbaren Situation befinden. Die hierfür zugrunde zu legenden geschlechtsneutralen Kriterien umfassen Kompetenzen, Belastungen, Verantwortung und Arbeitsbedingungen sowie gegebenenfalls weitere Kompetenzen, die für den konkreten Arbeitsplatz oder die konkrete Position relevant sind. Soziale Kompetenzen dürfen nicht unterbewertet werden.
Beschäftigte haben ferner, anders als bisher, ohne zeitliche Einschränkung ein Auskunftsrecht über ihre individuelle Entgelthöhe und die durchschnittlichen Entgelthöhen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für die Gruppen von Beschäftigten, welche die gleiche Arbeit wie sie oder gleichwertige Arbeit verrichten, und zwar unabhängig von der Beschäftigtenanzahl in dem Unternehmen. Auf ihre Informationsrechte und die erforderlichen Schritte müssen sie jährlich informiert werden. Sie müssen ferner darüber informiert werden, welche Kriterien für die Festlegung ihres Entgelts, ihrer Entgelthöhen und ihrer Entgeltentwicklung verwendet werden.
Beschäftigte dürfen nicht daran gehindert werden, ihr Entgelt offenzulegen, um den Grundsatz des gleichen Entgelts durchzusetzen
Die bereits aktuell geltenden Berichtspflichten werden in Art. 9 EntgTranspG deutlich erweitert. Ergibt die Berichterstattung, dass ein Entgeltgefälle zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern i.H.v. mind. 5 % besteht und kann das Unternehmen diesen Unterschied nicht objektiv rechtfertigen oder korrigiert es den Entgelttransparenzbericht nicht innerhalb von sechs Monaten, müssen Unternehmen zusammen mit ihren Arbeitnehmervertretungen eine gemeinsame Entgeltbewertung vornehmen.
Arbeitnehmervertretungen können die Beschäftigten bei der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs unterstützen oder sogar vertreten.
Anders als das Entgelttransparenzgesetz enthält die Entgelttransparenzrichtlinie mehrere effektive Sanktionsmöglichkeiten wie Entschädigungs- und Unterlassungsansprüche, Beweislastumkehr und Beweiserleichterungen sowie Bußgelder für den Fall, dass Unternehmen gegen die Vorschriften verstoßen.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Um den Vorgaben entsprechen zu können, bedarf es intensiver Vorbereitung. Zunächst ist erforderlich, dass sich die Unternehmen Kenntnis verschaffen über die spezifischen Entgeltdaten ihrer Beschäftigten, um eine Datengrundlage zu bilden. Ursachen für mögliche Unterschiede gilt es zu analysieren. Insbesondere in größeren Unternehmen mit komplexen Vergütungsstrukturen wird dies zeitliche und personelle Ressourcen binden. Schließlich gilt es, sich intensiv mit der Bewertung der vorhandenen Stellen auseinanderzusetzen und im Hinblick auf gleiche oder gleichwertige Arbeit Gruppen von Beschäftigten zu bilden, welche den Anforderungen der EntgTranspRL Rechnung tragen. Eine frühzeitige Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretungen ist zu empfehlen.
Fazit
Zwar scheint die Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie noch in weiter Ferne, es empfiehlt sich jedoch, frühzeitig mit der Vorbereitung auf die neuen Anforderungen zu beginnen, da diese – je nach Größe des Unternehmens – durchaus zeitintensiv sein werden. Da der Grundsatz der geschlechtsneutralen Bezahlung von Männern und Frauen bereits gesetzlich im Entgelttransparenzgesetz verankert ist und daher nur eine Überarbeitung dieses Gesetzes erforderlich sein wird, kann mit langen Übergangsfristen nicht gerechnet werden.
Ansprechpartner
Rechtsanwältin, LL.M. (University of Sydney)
Fachanwältin für Arbeitsrecht