Grundsatzurteil des BGH

Kein Verbraucherbauvertrag bei Einzelgewerksvergabe, BGH, Urteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22

Der BGH hat in seinem vorzitierten Urteil klargestellt, dass ein Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650 i BGB dann nicht vorliegt, wenn ein Unternehmer mit einem Verbraucher einen Vertrag über eine einzelne Werkleistung abschließt, auch wenn dies im Zuge der Errichtung eines neuen Gebäudes erfolgt.

 

Der Fall:

Die später beklagten Eheleute ließen als private Bauherren einen Neubau errichten, die einzelnen Gewerke vergaben sie selbst an verschiedene bauausführende Unternehmen. Die spätere Klägerin erbrachte Innenputz- und Außenputzarbeiten auf Einheitspreisbasis zwischen Dezember 2018 und Januar 2019. Nachdem die beklagten Eheleute die vollständige geforderte Vergütung nicht leisteten, forderte die Klägerin schließlich zur Leistung einer Sicherheit im Sinne von § 650 f Abs. 1 Satz 1 BGB auf. Zurecht?

 

Das Problem:

Eine Sicherheit nach § 650 f BGB kann von Verbrauchern nur dann gefordert werden, wenn es sich bei dem Vertragsverhältnis nicht um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650 i BGB handelt. In der Vergangenheit haben sich die Oberlandesgerichte zu der Frage, ob ein solcher Verbraucherbauvertrag auch bei einer Einzelgewerksvergabe anzunehmen ist, unterschiedlich positioniert.

 

Die Entscheidung:

Der BGH hat über diesen Streit in seinem oben zitierten Grundsatzurteil endgültig entschieden. Ein Verbraucherbauvertrag ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 650 i BGB anzunehmen, welche unter anderem voraussetzen, dass sich das Vertragsverhältnis auf den Bau eines neuen Gebäudes richten muss. Hierbei knüpft der BGH zum einen an die systematische Einordnung der §§ 650 i ff. BGB an, wonach Unternehmer eines Verbraucherbauvertrags unter anderem verpflichtet ist, dem Besteller eine Baubeschreibung zur Verfügung zu stellen. Dies ist im Rahmen einer Einzelgewerksvergabe über die Erbringung von Putzleistungen offensichtlich unüblich. Zudem hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, zwischen dem Bauvertrag nach § 650 a BGB und dem Verbraucherbauvertrag nach § 650 i BGB zu unterscheiden. Dieser liegt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur dann vor, wenn sich der Vertrag auf die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerkes, einer Außenanlage, oder eines Teils davon richtet. Der Verbraucherbauvertrag nimmt den Passus der Teilerrichtung gerade nicht auf. Zudem spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 650 i BGB für den Ausschluss einer Einordnung bei Einzelgewerksvergabe als Verbraucherbauvertrag. Auch die europarechtlichen Ursprünge der Vorschrift sprechen gegen eine solche Auslegung.

Der BGH stellt weiterhin klar, dass ein effektiver Verbraucherschutz hierdurch nicht beeinträchtigt werde. Vielmehr verschiebe die von den Oberlandesgerichten vereinzelt vertretene Auffassung den Verbraucherschutz entgegen deren gesetzlichen Regelungen gesetzwidrig.

Insofern war das Sicherungsbegehren des Unternehmers zulässig, die Klage war vor dem BGH letztendlich erfolgreich.

 

Praxistipp:

Verbraucher werden bei einer Einzelgewerksvergabe in Zukunft zweimal überlegen müssen, ob sie ein Sicherungsbegehren eines Unternehmers tatsächlich ablehnen. Dem Unternehmer stehen in diesem Fall verschiedene empfindliche Reaktionsmöglichkeiten offen, insofern kann er, soweit er erfolglos eine angemessen Frist zur Sicherheitsleistung gesetzt hat und diese fruchtlos verstrichen ist, seine Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen. Soweit er den Vertrag kündigt, ist er dann berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen, abziehen lassen muss er sich lediglich die ersparten Aufwendungen.

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